199,8. Fast täglich überprüfe ich diese eine Zahl, die seit über einem Jahr unser Leben bestimmt. Gerade noch unter 200. Mal wieder, immer noch. Was bedeutet das? Eine rasche Googlesuche bringt Licht in den undurchdringlichen Dschungel der Maßnahmen in Deutschland 2021.
Unser Land ist pandemüde, und doch habe ich das Gefühl, es geht jetzt erst richtig los. Ich hoffe, ich irre mich. Dass doch noch was passiert, endlich jemand handelt. An manchen Tagen ist es kaum zu ertragen, so untätig zuzusehen.
Ich frage mich manchmal, ob man sich so fühlt, wenn man in einem Rettungsboot auf dem Ozean dümpelt. Unter einem der Abgrund, um einen herum nur Wasser, das man nicht trinken kann. Und eine dünne Schicht Plastik bewahrt vor dem Untergang.
Die unerträgliche Leichtigkeit der Pandemie
Und dann wieder fühle ich mich vermessen. Schäme mich fast. Uns geht es so gut. Wir haben ein Haus, einen Garten, ein malerisches Tal vor der Türe. Wir sind gesund, noch verschont vom Virus. Ertappen uns dabei, dass wir vergessen, was los ist. Ach ja, da war doch was. Außerhalb der Blase.
Das ist die Realität, kein dystopischer Roman. Wir leben in einer Pandemie.
199,8.
Vor einigen Wochen war ich noch wütend. Wie ein Tier in der Falle, das so kurz davor ist, sich aus Verzweiflung ein Bein abzubeißen. Doch jetzt ist da nur noch Müdigkeit. Neben einem Schimmer Hoffnung. In einem Jahr. Da muss das doch alles vorbei sein, dieser Gedanke macht sich breit. Doch… dachte ich das nicht vor einem Jahr auch schon?
Ich schiebe den Gedanken beiseite und halte mein Gesicht in die Sonne. Es ist schwer, den negativen Gedanken Raum zu geben, wenn man Erde umgräbt und neue Saat ausbringt. Schwer, traurig zu sein, wenn man im Bärlauch steht, den blauen Himmel durch die Baumwipfel sieht. Schwer, an Tote und Langzeitwirkungen zu denken, wenn das Baby seine ersten Schritte läuft.
Die Ambivalenz einer Pandemie…
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