Ich denke immer wieder über das Stillen in unserer Gesellschaft nach. Manchmal entstehen dadurch richtige Gedankenkreisel, denen ich schwer entkommen kann.
Denn es ist so: Nichts liegt mir ferner, als einer Frau etwas vorschreiben zu wollen, was sie tun oder lassen soll. Ich will das nicht, warum sollte ich es jemand anderem antun wollen?
Mein Aktivismus zielt auf etwas anderes ab: als mein Sohn geboren wurde, war ich hochgradig verunsichert und verletzbar.
Wie das jede frischgebackene Mama ist.
Ich glaube fest daran, dass ich nur deshalb (noch) stille, weil ich 1. ein ganz schön sturer und hartnäckiger Mensch bin, der, wenn er sich was in den Kopf gesetzt hat, das auch will und 2. ich ein Supportsystem hatte (primär meinen Mann und die Hebamme).
Der Wunsch war da stillen zu wollen und dann gab es da jemanden, der mir geholfen hat dran zu bleiben.
DAS wünsche ich mir für andere Mamas. Ein Netz zu haben innerhalb dessen sie nicht 5 Tage nach der Geburt die Wohnung putzen und Gast um Gast bewirten sollen.
Das ihnen nicht nahelegt, abzupumpen, wenn sie das aus dem Bauch heraus nicht wollen. Dass ihnen hilft, sich auf die verrückten ersten Monate des Mamaseins einlassen können. Mit Haut und Haar.
Ausreichend essen und trinken, ausreichend Ruhe, ausreichend Unterstützung, ausreichend Cheerleading und Begleitung.
Keine Tipps zum richtigen Milchpulver, dafür Verständnis und Umsorgen
Verständnis auch dafür, dass das Kind seine Mama braucht. Keinen Ersatz aus Plastik, sondern die duftende, weiche Haut von Mama, die man so wunderbar beim Stillen streicheln kann. Mamas Herzschlag statt White Noise. Mamas Wärme.
Ich habe das alles aufgesaugt, noch heute kommen mir die Tränen, wenn ich daran denke. Man fühlt sich da als Zentrum der Welt für diesen kleinen Menschen (und das ist man ja auch).
Das ganze Universum dehnt sich aus mit der Mutter und ihrem Kind im Zentrum dieser neuen Realität.
Auf ein ganzes Leben gerechnet wenige Wochen so intensiv, wenige Monate so exklusiv, wie während dem ersten halben Jahr seines Lebens.
Von „innen“ wirkt es so, als sei das für immer, aber andere Zeiten kommen schnell wieder, früher vielleicht als Dir lieb ist.
Wenn Dein Kind sich plötzlich abends von Dir wegdreht und einschläft ohne Stillen. Wenn es sich von anderen in Situationen beruhigen lässt, in denen früher nur Du geholfen hast.
Ich wünsche mir, dass Frauen (Selbst)Vertrauen entwickeln in den Umstand, dass sie ihre Kinder ernähren können mit der richtigen Menge an bester Muttermilch, die im englischen oft liquid gold genannt wird. Dass sie sich Hilfe suchen, um (weiter)stillen zu können, wenn sie das möchten. Dass sie diese Hilfe erhalten.
Dass Ärzte, Omas, Nachbarn im Team Stillen spielen
Dass auch mal gekämpft wird, dass nicht jede Antwort auf ein Stillproblem „Warum tust Du Dir das an? Es wird doch mit der Flasche auch groß!“ lautet.
Dass Frau als Team Prostillen nicht automatisch zum Team Ichscheissaufdeinwohlergehen gezählt wird. Ganz im Gegenteil!
Natürlich ist jede Mama auch wichtig, mindestens genauso wie das Kind – es heißt ja nicht umsonst „Stillbeziehung“ und zu einer Beziehung gehören zwei. Und dennoch sind Formula und Flasche geben eben keine Universallösung – nicht für die Mamas und auch nicht für unsere Kinder.
Adäquate Unterstützung ist es. Wenn Stillen eine halb so gute Lobby hätte, wie Formula, würden viel mehr Frauen es wagen.
Und nicht den Märchen erliegen, dass sie angekettet sind, nicht (nie mehr!) auskönnen, fremdbestimmt sind, nicht mehr weggehen können, keine Frau mehr, „nur noch“ Mutter sind, dass sie einen Teil, einen so verschwindend kleinen Teil ihrer Lebenszeit dem Wesen opfern, das sie unter ihrem Herzen trugen.
Weil sie das Epizentrum dieses neuen Lebens sind. Und das auch annehmen und aushalten dürfen.
Wie das Leben mit Kind ist, das kann niemand verstehen, der keines hat
Welche individuellen Herausforderungen auf eine Mama warten, weiß niemand.
Aber manchmal stelle ich mir eben vor, wie es wäre, wenn jede Mama so ein Team hätte, ein Netz, das sie hält. Und wie anders mein, Dein, unser Leben und das unserer Kinder dann aussähe…
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