
Stillen ist… ein Herzensthema.
Für mich war von vornherein klar, dass ich mein Kind stillen möchte. Gesund, praktisch, normal, natürlich, günstig – klang alles sehr gut für mich.
Beim Kennenlerntermin mit meiner Hebamme empfahl sie mir ein Stillseminar. Davon hatte ich noch nie was gehört und sinnvoll fand ich es erst mal auch nicht. Hieß es nicht überall, dass Stillen ganz intuitiv passieren würde? Und dennoch habe ich mich angemeldet und war im Nachhinein so dankbar.
Wir saßen dort, etwa 20 werdende Mamas, und eine der kompetentesten, unprätentiösesten Frauen, die ich jemals kennenlernen durfte, enttarnte Stillmythos um Stillmythos.
- Dass die Milch (fast) immer reicht, wenn man das Kind nach Bedarf anlegt.
- Dass (fast) jede Frau stillen kann, zumindest (fast) ausschließlich.
- Dass Frau alles essen und trinken darf (außer natürlich Medikamente, Alkohol und Drogen), weil sonst ganze Kulturen ausgestorben wären, Stichwort etwa Pfefferminztee im arabischen Raum.
- Dass es ungeheuer wichtig ist, das Kind in den ersten Tagen viel anzulegen, weil nur so das Kolostrum Platz für die Milch macht, das Kindspech abgehen, die Darmflora ihren Kickstart bekommen und das Kind (fast immer) vor Gelbsucht bewahrt werden kann.
Klar, Ausnahmen bestätigen jede Regel. Und doch gaben mir die Informationen Sicherheit.
Und sie sagte etwas ganz wichtiges: Dass Stillen zwar natürlich ist, aber längst nicht mehr normal.
Weil Stillen ein gesellschaftliches Gut ist. Weil Vorbilder fehlen, wie früher die Mütter, Tanten, Schwestern, Cousinen, mit denen man eng zusammenlebte und von denen quasi immer irgendeine ein Kind stillte. Von denen wir lernten, wie es geht und was es heißt, sein Kind zu ernähren.
Im Krankenhaus konnte ich mein Kind noch im Kreißsaal kurze Zeit nach der Geburt zum ersten Mal stillen. Die Hebamme legte ihn an, weil ich es nicht schaffte und viel zu erschöpft war. Es ging so schnell, dass ich nicht sah, was sie tat.
Auf der Station kam nach kurzer Zeit eine Schwester, ob alles klappte. Ich zuckte die Schultern, im Arm meinen neugeborenen Sohn, so klein und perfekt und zerbrechlich. Ich so kraftlos, erschöpft, mit Schmerzen. Ob er tränke. Ich nickte.
Ob ich Stillhütchen bräuchte oder ein Fläschchen. Sie könne mir gleich mal zeigen, wo und wie ich das zubereiten könne. Ich verneinte. Es kommt schon genug, sagte ich.
Und meinte damit, dass er nur kleine Mengen auf einmal zu sich nimmt und den Bedarf ja erst anmelden muss, damit ich produzieren kann.
Na manchmal nicht, sagte sie. Sie ging und ein kleiner Funken Angst blieb.
Innerhalb weniger Stunden schmerzen meine Brustwarzen wie die Hölle. Ich habe vorgesorgt mit Multimam-Kompressen. Ein Tipp aus dem Seminar. Die halfen, wenn auch nicht gegen die Ursache, so doch wenigstens gegen die Schmerzen.
Eine Schwester half noch mal beim Anlegen, wieder so schnell, so routiniert, dass ich es nicht nachahmen kann. Der Ansaugschmerz fuhr mir durch Mark und Bein.
Ich solle mich doch melden, wenn ich nochmal Hilfe bräuchte. Ich nicke kraftlos, schlucke meine Tränen und meine Verzweiflung herunter. Wie roh fühle ich mich, als habe man mir die Haut abgezogen. Ich hatte keine Kraft mehr zu kämpfen, zu bitten, einzufordern.
Am nächsten Tag blutete eine Brustwarze. Ich war die ganze Nacht wach, weil mein Kind Fruchtwasser geschluckt hat und das loswerden will. Also trug ich ihn durch das dunkle Zimmer, hin und her, alle 3 Kilo neugeborenes Kind. Mein Beckenboden protestiert, aber welche Wahl hatte ich. Mein Mann musste das Krankenhaus zum Ende der Besuchszeit verlassen. Ich war ganz alleine.
Ab 5:30 werden Wägen mit Geschirr an meinem Zimmer vorbeitransportiert, Glascontainer geleert.
Bitte Ruhe. Rooming in. Steht auf einem Schild an meiner Tür.
Ich entlasse uns an diesem Tag. Stille heulend mein Kind bis die Hebamme am nächsten Tag zu uns kommt. Sie zeigt mir, wie ich ihn korrekt anlege. Mehrmals. Langsam. Der Schmerz hört nach und nach auf, es heilte.
Manchmal bin ich immer noch überfordert. Wenn er clustert. Denke ans Aufhören. Mein Mann motiviert mich, unterstützt mich wo es geht. Die Hebamme auch. Hört zu, wenn ich weine und sagt, was ich hören muss.
120g nahm mein Kind ab und dann nur zu. Die Milch reicht also. Hab ich’s doch gewusst. Und doch, ist da immer dieser beiläufige Satz im Hinterkopf. Na manchmal auch nicht.
Jedes Mal wenn ich mich sorge, dass sie nicht reichen könnte, bekomme ich einen Milchstau. 3x war das bisher so. Vielleicht passiert das nochmal, aber jetzt sind wir auf unserem Weg.
Und ich wünsche mir so sehr, dass es mehr Unterstützung gäbe. Dass das Personal in Kliniken ihre Gimmicks von Nestlé behielte und stattdessen Pompoms schwingt für die Mamas. Dass es da Leute gäbe, die zeigen, wie das Anlegen geht. Vor Ort, mehrmals, langsam. Die wirklich glauben, was auf den Fläschchen steht. Dass Stillen wirklich das beste ist für Dein Kind.
Stillen ist Liebe. Liebe der Gesellschaft für Mütter, für den krassen Job, den wir da machen. 24 Stunden, 365 Tage im Jahr. Ohne Pausen, ohne Urlaub.
Stillen ist Liebe des Partners, der eine Tasse Tee reicht und Essen an den Sessel bringt.
Stillen ist Liebe der Oma, die sich ihr „Du bist auch so groß geworden“ verkneift.
Des Opas, der eben nicht sagt, dass Dein Kind offenbar nicht satt wird von der „dünnen Brühe“.
Liebe der anderen Stillmama, die sagt „Ich weiß es ist hart, Du schaffst das. Du bist genug.“ Die Dir zulächelt und sagt: Du bist nicht allein! Die Dir nicht dazu rät, die Formula zu holen, sondern stattdessen die tolle Stillberaterin weiterempfiehlt,
Der Schwester, die selbstgekochtes Essen vorbei bringt. Der Freundin, die fragt, was man aus dem Supermarkt braucht.
Und das wird oft vergessen.

Foto: Laura Fuhrman auf Unsplash